Vom kleinen Shitstorm zur grossen Erkenntnis — 6 Monate #SBBservicescout in 14 Tweets

philipp meier
3 min readOct 29, 2016

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Ich schreibe diesen Artikel natürlich im Zug — auf dem Weg von Zürich nach Bern. Für einmal ist er nicht mein Arbeitsweg. Ich fahre mit den Kindern (9/12) an die E-Games.

Wir sitzen in der ersten Klasse und es ist wie immer: Es gibt nichts auszusetzen … — wollte ich eben schreiben, denn prompt will es der Zufall, dass unser Zug auf freier Strecke stehen bleibt. Wir treffen mit einer Verspätung von 20 Minuten in Bern ein.

Wenn ich einen Termin gehabt hätte, dann hätte mich diese Verspätung extrem geärgert. Aber so? Das Leben ist definitiv zu kurz, um sich über so was aufzuregen. Und genau diese Einstellung scheint vordergründig nicht die beste Voraussetzung zu sein, mich als #SBBservicescout anzuheuern.

Handkehrum macht mich das zu einem sehr durchschnittlichen Bahnbenützer, denn die grosse Mehrheit schielt nicht mit Adleraugen auf den Service, den die SBB anbieten.

Der Zug blieb übrigens stehen, weil ein anderer Zug vor ihm stehenblieb. Ich habe gehört, dass es das auf den Strassen auch geben soll (nicht mal so selten;)

Parallel mit dem Start als #SBBservicescout begann ich zufälligerweise auch zu pendeln. Ich fahre drei mal wöchentlich die Strecke von Zürich nach Bern und zurück. Und weil mir die SBB als Entschädigung für meine Arbeit ein General-Abonnement schenkte, schlug ich aus der eigenen Tasche noch CHF 2'000 drauf und leistete mir ein 1.-Klass-GA. Das war insofern nicht das Geschickteste, weil Zürich-Bern zu den wenigen Strecken zählt, auf denen manchmal die 1.-Klasse besser belegt ist, als die 2.-Klasse (PolitikerInnen, Chef-BeamtInnen, etc.)

Zu Beginn gab die Entschädigung der SBB für die ServiceScouts zu reden. Zum Einen erwarte ich jedoch eine Gegenleistung, wenn ich auf meinen Social Media Plattformen regelmässig über den Service einer grösseren Firma berichten soll. Zum Anderen war es für mich eine Bedingung für meine Teilnahme, dass ich bezüglich Entschädigung Transparenz herstellen darf. Nur so kann auf Social Media Glaubwürdigkeit entstehen.

Es war also nie die Absicht, die Gegenleistungen für die #SBBservicescouts geheim zu halten. Der einzige Fehler war, dass sie zu wenig offensiv kommuniziert wurden.

Eine weitere Bedingung für meine Teilnahme war, dass ich «redaktionell» unabhängig bleibe. Auch das ist für die Glaubwürdigkeit enorm wichtig — und zwar für beide Seiten, für die SBB und für mich. Das heisst jedoch nicht, dass ich jegliche Hinweise und Inputs der SBB ignoriere. Solche können mir in meiner Arbeit als ServiceScout sogar helfen, das Augenmerk auf bestimmte Details zu richten, die ich sonst ignorieren würde.

Ob Medien oder SBB; oft interessiert mich «das grosse Bild» — sprich: Die Bereiche, in denen die Branchen in andere ausfransen, oder potentielle Entwicklungen in die Zukunft #Disruption. Deshalb teilte ich in meinem ersten Tweet mit dem Hashtag #SBBservicescout dieses Bild, das ich aus dem Zug aufgenommen habe:

Ich gehe nicht davon aus, dass ich mich durch die Entschädigung kaufen lasse. Wer mich ein Bisschen kennt, weiss, dass ich in solchen Fällen sogar etwas kritischer werde.

Obwohl ich pendle, fällt mir selten was auf, das berichtenswert wäre. Am Häufigsten ärgere ich mich, dass jeweils nicht abschätzbar ist, wo die 1.-Klasse-Wagen zum Stehen kommen, wenn der Zug Abends in Bern einfährt. Der Sektor stimmt zwar meistens, aber es gibt oft Schwankungen von bis zu zwanzig Metern. Möglicherweise liegt das daran, dass der Bahnhof in einer ganz leichten Kurve steht und jedes Perron zum Anderen etwas verschoben zu sein scheint.

Aber eben: So gesehen hält sich mein Ärger in Grenzen #FirstWorldProblem

Deshalb retweete ich dankbar Tweets, die in meiner Timeline auftauchen und sich kritisch zur SBB äussern, oder ich schnappe Kritiken beim Bahnfahren oder in meinen Timelines auf:

Das Verfassen dieses Artikels hat leider etwas gedauert, sodass die Halbzeit schon fast ein Monat überschritten ist.

Nichts desto trotz: Haltet mich weiterhin über euren Ärger und eure Freuden mit der SBB auf dem Laufenden.

Ich versuche dann, ihnen die nötige Aufmerksamkeit zu schenken.

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philipp meier
philipp meier

Written by philipp meier

teilzeit community developer @swissinfo.ch, teilzeit beratung, ehem. SM editor/curator @watson.ch, NachtStadtrat Zürich, ex-direktor cabaret voltaire

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