Weshalb ich weniger auf Facebook bin — nein, nicht deshalb ;-)

philipp meier
5 min readApr 30, 2018

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Letzthin teilte ich auf Facebook diesen Post:

In den Kommentaren fragte einer: «hast du gewonnen?»

Worauf ich entgegnete: «ganz viele ❤️»

Normalerweise teile ich auf Facebook zwanzig bis dreissig Posts pro Tag. Im Moment sind es nur rund deren fünf. Wobei ich da auch diejenigen dazu zähle, die ich auf Plattformen teile, die mit Facebook verknüpft sind — vornehmlich Instagram.

Auf Facebook bin ich inzwischen wohl rund elf Jahre. Mein erster Account wurde nach etwa vier Jahren gesperrt. Wegen Nacktheit. ¯\_(ツ)_/¯

So gesehen hatte ich es schon früh durchgespielt.

Das war damals aber noch lange nicht alles.

Eine zeitlang verlangte ich für eine Facebook-Freundschaft Geld. Ein Jahres-Abo meiner Posts kostete rund sechzig Franken — aufs Konto des Cabaret Voltaire überwiesen, die Kunstinstitution die ich damals leitete. Mit sehr bescheidenem Erfolg, denn nur gegen siebzig Facebook-Freund*innen zahlten was. Den Rest entfreundete ich.

Für dieses Cabaret Voltaire haben wir Facebook-Accounts betrieben, die den Namen von Begründer*innen der Kunstbewegung Dada trugen. Wer sich mit ihnen befreundete, kriegte ein Bisschen mit, wo und wie die Dadaist*innen lebten und welche Gedichte sie schrieben oder Gemälde oder Skulpturen sie schufen.

Eine sehr lustige Phase war die Zeit, als der Accountname noch nicht fix war und ständig gewechselt werden konnte. Besonders witzig war der Effekt, wenn Profilbilder und -namen von Facebook-Freund*innen übernommen wurden. Da tauchten dann plötzlich zwei identische Accounts auf, bei denen nicht auf Anhieb klar war, welches der Richtige ist.

Seit ich meinen zweiten Account habe, bin ich als Frau auf Facebook. Und als die Funktion eingeführt wurde, unter den Freund*innen alle möglichen Verwandten zu verlinken, machte ich einen Aufruf, wer mit mir verwandt sein möchte. Seither habe ich auf Facebook eine bunte Mischung von «Verwandten». Das alles machte ich, weil ich schon damals der Überzeugung war, dass ich meine Daten nur dadurch «sichern» kann, indem ich falsche Fährten lege.

Nachdem ich mich lange geweigert habe — billige Snapchat-Kopie — mache ich nun doch Storys auf Instagram

Irgendwann ging Facebook an die Börse und konkretisierte zuerst mit Werbung, dann mit Sponsored Posts sein Businessmodell. Und zusammen mit den wachsenden Nutzer*innenzahlen tauchten immer mehr kommerzielle Anbieter auf — darunter auch die Massenmedien.

In dieser Zeit änderte die Bezeichnung von Facebook als (offene Kommunikations-)Plattform zu Facebook als (kommerzieller Vertriebs-)Kanal. Inzwischen benutzen alle Social Media Manager und anderen Kommunikationsfachleute den Begriff «Kanal». Damit sagen sie, dass sie ihre Inhalte auf dieser Plattform nicht zur Diskussion stellen wollen, sondern, dass sie sie in diesem Kanal distribuieren möchten. Und erst diese Denke machte die Probleme möglich, über die wir heute diskutieren …

… und die so(!) nicht die Gründe sind, weshalb ich auf Facebook nun spärlicher aktiv bin.

So, wie ich die meistens Posts auf Facebook intuitiv bis reflexartig mache, so habe ich auch bei meiner Entscheidung nicht viel überlegt, auf Facebook nun etwas kürzer zu treten. Umso interessanter ist es, rückblickend zu analysieren, was mich dazu bewogen haben könnte. Hier nun also ein kleine, spontane Auslegeordnung:

  • Der neue Newsfeed
    Ich mochte den Gemischt(informations)warenladen mit den rund 5'000 Freund*innen, 2'600 Abonnent*innen und 2'000 Seiten, die ich geliked habe.
    Seit der Umstellung im Newsfeed sehe ich jedoch in der Einstellung «Neuste Meldungen» viel zu viele Posts und unter «Top Meldungen» wurde aus meiner Warte der algorithmische Horizont viel zu Eng eingestellt — wobei ich anfügen möchte, dass ich Algorithmen grundsätzlich als was hilfreiches und nicht als was gefährliches betrachte ¯\_(ツ)_/¯
    Aber natürlich gilt auch
  • Ritualisiert und altbacken
    Zu Beginn änderte sich bei Facebook wenig. Oft wurde innert Jahresfrist nur ein kleines Feature eingeführt. Der Hyperaktivismus, den Facebook in den letzten Jahren und Monaten an den Tag legte, machte die Plattform zwar vorübergehend interessanter, nutzte sich jedoch auch sehr schnell ab. Ob mein Teilen oder die Reaktionen darauf – vieles läuft inzwischen ritualisiert ab. Das hat zwar was beruhigendes, wirkt aber auf die Dauer wenig erfrischend. Zudem beginne ich mir einzureden, dass nach vierzehn Jahren das Design und vor allem das Format — unter anderem: zuerst der Post und dann drunter die Kommentare — langsam aber sicher abgegriffen und altbacken wirkt. Daneben wirkt zum Beispiel Twitter viel frischer — mit den Replys, die eigenständige Tweets sind und mit dem Retweeten.
  • Gespräche zu #ServicePublic auf der Höhe der Zeit
    Im Zuge der No-Billag-Abstimmung lancierten stefan m. seydel/sms ;-) und ich, was eigentlich längst breit(er) diskutiert werden sollte: Eine Diskussion zur Frage «Was ist ein Service Public auf der Höhe der Zeit?»
    Die Erkenntnisse daraus — die ich unter dem Titel «Ein zeitgemässer Service Public in (vorerst) 13 Punkten (Radio & TV sind nicht dabei)» publizierte — stimmten mich im besten Sinn nachdenklich.
    Auch wenn meine Abhängigkeit von Facebook bezüglich Inputs stets relativ klein war — aktuell informiere ich mich neben Facebook in erster Linie über Twitter, Medium, Feedly, Tumblr, Refind und diverse Newsletter — so wurde mir dieser Tage klarer, dass ich den Austausch und meine Beiträge zur Unterhaltung auf Facebook reduzieren möchte.
  • Kurzer Ausstieg von Christian Strickler
    Ich musste zwar schmunzeln, dass Christian Strickler auch zu denen zählt, die vollmundig aus Facebook aussteigen, um kurze Zeit später wieder zurückzukehren. Aber sein vor ein paar Monaten glaubwürdig inszenierter Ausstieg machte mich fast ein Bisschen neidisch.
    Für mich ist jedoch klar, dass ich nur mein Engagement (stark) zurückschraube und nicht meinen Account lösche. Zum Einen halte ich die Problematisierung von Facebook massiv überzogen (hätte hier diverse Artikel verlinken können, hatte jedoch spontan nur gerade diesen zur Hand). Zum Anderen werde ich von Berufes wegen weiterhin teilnehmender Beobachter bleiben müssen und wollen.
  • Mehr Zeit für Neues
    Es tut sich einiges, weshalb ich meine Aktivitäten und meine Aufmerksamkeit neu ordnen möchte. Es ist an der Zeit …

Ich war schon immer parallel auf verschiedenen Plattformen aktiv. So gesehen ist meine Entscheidung also eher ein verschieben der Prioritäten.

Und auch wenn Snapchat von Instagram etwas ausgebremst wurde, so finde ich die Kamera als Start-Bildschirm immer noch Massstab setzend — next: AR-Brille ;-)

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philipp meier
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Written by philipp meier

teilzeit community developer @swissinfo.ch, teilzeit beratung, ehem. SM editor/curator @watson.ch, NachtStadtrat Zürich, ex-direktor cabaret voltaire

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