Was wäre ein #ServicePublic auf der Höhe der Zeit?
Gedankenspiele, Ansätze und Verortungen im Zusammenhang mit #ServicePublic ← Link auf Google-doc von und mit stefan m. seydel/sms ;-)
was wären solche öffentliche(!) diskursive prozesse?
- jede volksabstimmung
- alle wahlen
- entwickeln einer landesausstellung X-27
- lokale, nationale, kontinentale, globale debatten
- ereignisse, events, gipfel, kongresse
was wären die aufgaben?
- ermöglichen
- kuratieren
- organisieren
- strukturieren
- moderieren
- beobachten
- beobachtendes teilnehmen
(das war mal das ende des eintrags. was jetzt kommt passt auch noch irgendwie dazu)
(das war mal das ende des eintrags. was jetzt kommt passt auch noch irgendwie dazu)
Dirk von Gehlen hat in seinem Blog-Eintrag «Ein öffentlich-rechtlicher RSS-Reader und 29 weitere Ratschläge für ein freies Internet (Digitale-Februar-Notizen)» einen weiteren sehr interessanten Vorschlag zur Hand. Ich darf diesen hier etwas gekürzt wiedergeben (vielen Dank!)
Erklären Sie mir Demokratie als wäre ich ein Sechsjähriger: Was ist das Besondere an unserer Staatsform? Warum glauben wir, dass sie gut ist? Haben Sie eine Antwort auf diese Fragen? Mich haben sie in den vergangenen Wochen beschäftigt und ich glaube eine zentrale Antwortet könnte heißen: Der Meinungswechsel. Ich glaube, dass die Freiheit, seine Meinung ändern zu können so etwas wie das Alleinstellungsmerkmal der Demokratie ist. Es ist erlaubt zu sagen: „Ich habe mich geirrt“ oder „Du hast mich überzeugt“ und vor allem „Ich ändere meine Meinung“. (Mehr dazu: „Freiheit ist immer die Freiheit zum Andersdenken“ und in der Vorstellung des Subreddits Change My View bei Wired)
Dafür dass die Meinungsänderung so eine zentrale Bedeutung für die Demokratie hat, ist ihr Image aber erstaunlich schlecht. Wenn Politiker*innen ihre Meinung ändern, sprechen die Medien schnell von Betrug, nennen sie Umfaller. Ich kann mich nicht denen anschließen, die ein merkwürdiges Ideal der Standfestigkeit von Politiker*innen einfordern. Ich wünsche mir im Gegenteil, viel mehr Menschen, die die Fähigkeit aufbringen, ihre Meinung zu ändern (und das — wenn sie Politik machen — auch öffentlich erklären). Ich glaube, dass dies ein Kern gelebter Demokratie ist, wenn wir anerkennen, dass wir falsch liegen, dass wir unsere Meinung ändern können. Denn in dieser Haltung zum zum Neuen und zum Wandel auch etwas ausdrückt, was ich die demokratische Verfasstheit einer Gesellschaft nennen würde. Denn nur wenn wir die Frage beantworten können, was Demokratie ausmacht, können wir auch beginnen, diese zu verteidigen.
Damit beziehe ich mich bewusst auch auf die Debatte über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die am Ende dieser Woche mit einer Abstimmung in der Schweiz einen neuen Höhepunkt erreicht. Nimmt man diese Debatte mit einer Entwicklung zusammen, die in den USA unter dem Begriff auf den großen US-amerikanischen Techlash geführt wird, kann man mit Thomas Beschorner und Caspar Hirschi fordern: Wir brauchen den öffentlichen-rechtlichen Rundfunk — weil er auf der strukturellen Ebene zur demokratischen Verfasstheit der Gesellschaft beiträgt. Die Schweizer Wissenschaftler schreiben in einem Gastbeitrag bei Zeit-Online: “Das öffentlich-rechtliche Informationsangebot verfälscht nicht einen funktionierenden privaten Wettbewerb, sondern es korrigiert ein demokratisch gefährliches Marktversagen.” (Mehr zum Thema öffentlich-rechtlicher Rundfunk bei Armin Wolf und in dieser Kolumne von Carolin Emcke bei der SZ)
Vielleicht gilt das nicht nur für die klassischen Medien, vielleicht braucht auch der private Plattform-Kapitalismus im Web eine solche Korrektur. Vielleicht brauchen wir also ein öffentlich-rechtliches Engagement im Web, das mithilft, ein offenes, dezentrales Internet zu fördern. Seit ich am Ende des vergangenen Jahres auf Bitten von Jörgen Camrath den Wunsch äußerte, RSS möge eine Renaissance erleben, fallen mir immer mehr Hinweise dafür auf, dass es tatsächlich so kommen könnte. Anfang des Monats listete die US-Ausgabe von Wired eine Sammlung von Alternativen zum Facebook-Feed auf, über die man künftig seine Nachrichten im Web beziehen könne. Denn der vergangene Monat war auch geprägt von der Frage, wie Facebook eigentlich mit Nachrichtenanbietern umgeht.
Ein Ergebnis könnte sein, dass diese sich von Facebook lösen. Dass sie wieder auf dezentrale Technologien wie RSS setzen, bei denen man Informationsangeboten folgen kann, ohne dass eine zentrale Plattform diese nach nicht nachvollziehbaren Regeln filtert und gewichtet. Diese Idee ist weder cool (wie der aktuell gehypte Dienst Vero) noch sonderlich neu. Ihr Kern ist dieser Tage 20 Jahre alt geworden. RSS ist eine sehr grundlegende Idee des dezentralen Web und ich frage mich am Ende dieses Monats mit all seinen Debatten: Wie wäre es eigentlich, wenn wir wieder RSS nutzen würden?
Ich habe dazu fünf Vorschläge aufgeschrieben, die vielleicht eine neuen Dreh in die Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und um den richtigen Umgang mit den großen US-Techgiganten bringen könnten:
1. Wir brauchen einen öffentlich-rechtlichen RSS-Reader. Unsere Rundfunkanstalten sollten nicht mit Verlegern über Textlängen diskutieren müssen, sondern eine öffentlich-rechtliche Plattform anbieten, in der Leser*innen RSS-Feeds abonnieren können — ohne dass diese gefiltert und gewichtet werden — sozusagen als technologische Grundversorgung eines freien Web. Inhalteanbieter müssten dann nur noch RSS-Feeds bereitstellen (hier gibt es z.B. meinen Autoren-Feed bei der SZ und hier meine Tweets, die ich via publicate.it zu einem RSS-Feed gemacht habe.), über die sie auch Werbung ausspielen dürfen.
2. Wem das zu kompliziert ist, der kann sich das ganze ja als Mediathek für Text vorstellen, in der auch andere, kommerzielle Fremdanbieter ihre Texte (und Werbung) einstellen können.
3. Und für den Fall, dass RSS als uncool gelten sollte: Einfach mal nachschauen, wie Apple das ganze Podcast-Thema gelöst hat: über RSS-Feeds.
4. Ein solcher Ö-R-Reader sollte darüberhinaus auch Funktionen der sozialen Interaktion anbieten. Nutzer*innen können dort Empfehlungen anderer Nutzer*innen lesen und vielleicht sogar diskutieren.
5. Dass der Reader selber Open-Source sein sollte, ist eh klar. Aber auch in Fragen der Gewichtung und Präsentation sollten die Plattformbetreiber neutral und tranparent sein.
Ich habe keine Ahnung, wieviel Geld dafür nötig wäre, ich bin mir aber sicher, dass wenn man mit der Nachfolge-Organisation des Weltrundfunkvereins spricht, es überhaupt kein Finanzierungsproblem geben sollte: Die Europäische Rundfunkunion könnte einen solchen Reader DSGVO-konform auf den Markt bringen und damit nicht nur eine Antwort auf die Frage liefern: Wofür brauchen wir eigentlich öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Mit einem solchen Angebot gäbe es auf einmal auch eine europäische Antwort auf den großen US-amerikanischen Techlash dieser Tage.