Die Influencer markieren den Anfang vom Ende der Massenmedien (wie wir sie kannten)
Kein Wunder lief in ‘den Medien’ in den letzten Jahren eine Kampagne gegen Influencer*innen. Da spitzt sich nämlich einiges zu:
- Die Influencer*innen erinnern die Medien an ihre eigenen Unzulänglichkeiten
- Die Influencer*innen zeigen, dass es die Medien nicht mehr braucht
- Die Influencer*innen sind heute schon das, was künftig Journalisten sein werden
klammer auf — ich mag den begriff ‘influencer’ nicht besonders. ich mag jedoch die rollen, die ihm zugeschrieben werden können — klammer zu
Das einzig Richtige (chchch), das David Eugster in der WoZ über Influencer schreibt, ist, dass ein an und für sich altes Prinzip dahinter steckt. Was er dabei jedoch ausblendet, ist die Rolle der Medien.
Aufs klassische Marketing bezogen hiessen die Vorgänger*innen der Influencer*innen ‘Testimonials’ oder ‘Markenbotschafter*innen’.
ich klammere hier die begriffe ‘spin-doctor’, ‘lobbyist*innen’ und andere strippenzieher*innen und einflüsterer*innen aus, obwohl ich auch diese rollenvergleiche interessant finde
Die Testimonials und Markenbotschafter*innen braucht(t)en die Massenmedien als Multiplikatoren — damit sie zum Beispiel auf dem roten Teppich oder in Homestorys die Produkte, für die sie (versteckt) werben, einer breiteren Masse präsentieren können.
Interessanterweise entstand bei dieserart massenmedialer Berichterstattung nie die Transparenz, die nun von den Influencer*innen eingefordert wird.
oder gabs jeweils am ende einer jeder homestory eine transparenzbox, in der erwähnt wurde, für welche produkte der vorgestellte promi wirbt? oder wurden die red-carpet-artikel jeweils mit «vorsicht schleichwerbung» markiert?
Es ist also eine weitere Domäne, in der der Journalismus seine Aufgabe als «Informatonszwischenhändler» verliert, denn inzwischen erreichen die (ehemaligen) «Testimonials/Markenbotschafter*innen» (und die neuen Influencer*innen) ihre (grosse) Community auf den Social Media direkt — und schaffen eben gerade das, was die meisten Journalist*innen nicht hinkriegen: Dialog und Nähe.
Wenn wir nun den klassischen Marketingansatz weglassen …
wer ist wir?
…, dann sind eigentlich auch Expert*innen, die von den Medien zitiert werden oder für sie gar Meinungsstücke verfassen, Influencer*innen. Das hat meistens auch einen kommerziellen Hintergrund, der nie transparent gemacht wird: Expert*innen, die (regelmässig) in den Medien zitiert werden, können damit ihre Person/Unternehmen/Institute/Services/etc. bewerben. Sie kriegen das Geld, respektive die Aufträge, (meistens) nicht direkt für ihren Auftritt oder ihr Zitat, sondern indirekt durch das Renommee, dass sie durch die Präsenz in den Medien erlangen.
Und auch hier verschiebt sich «die breite Öffentlichkeit» mehr und mehr hin zu den Expert*innen, denn auch sie haben immer öfters «Social Hubs», mit denen sie ihre (Fach-)Community direkt erreichen und mit ihr interagieren können.
Bevor ich nun zur Rolle des «Influeurs» komme — so nennt Thomas Knüwer das Pendant zum Journalismus (unten zitiert und verlinkt) — folgt nun als Einschub ein Kommentar von Kafi Freitag, den sie unter diesen Post von mir schrieb und den ich der Einfachheit halber anschliessend an den Post reinkopiere.
Kafi Freitag schreibt dazu:
Mich nervt das Bashing von Insta-Influencern. Davor waren Blogger dran. Und über Youtuber zieht man nebenher auch noch her.
Mich überzeugt der Inhalt auch oftmals nicht, aber ich anerkenne, dass ich mit 42 Jahren halt auch nicht mehr wirklich die Zielgruppe bin. Trotzdem würde ich die Leistung hinter diesen Personen nicht infrage stellen. Dafür weiss ich einfach viel zu gut, wie viel Arbeit man in etwas stecken muss, damit es wächst.
Ich mache meinen Job seit nunmehr 6 Jahren und tümple bei knapp 4000 Followern bei Instagram rum und bei öppis über 20'000 hier [auf facebook]. Organisches Wachstum in einer Nische wie ich sie betreibe, ist enorm schwer. Natürlich könnte ich mir auch Follower kaufen, aber es wäre mir vor mir selber zu peinlich. Gleichzeitig verurteile ich nicht die, die es tun, sondern eher die, die darauf reinfallen. Bei allen jüngst erwähnten Instagram-Stars kann man an der Ratio Follower/Kommentare/Likes auf einen Blick erkennen, dass ein Grossteil der Community fake ist. Solange Brands das egal ist und sie bereit sind, mit diesen Personen zusammenzuarbeiten, ist das deren Problem.
Auf einem anderen Blatt Papier steht der Aufwand, der für ein Bild betrieben wird. Wer das kleinredet hat sich noch nie ernsthaft damit auseinandergesetzt.
Und irgendwie hat die Diskussion was enorm kleinbürgerliches. Solange ein Berufsbild nicht im Mäppli des lokalen Berufsberaters abgebildet ist, gibt es den Beruf nicht oder aber er ist nicht seriös. Vielleicht wäre es einfach mal an der Zeit einzugestehen, dass dieses Feld schneller wächst, als die neuronale Plastizität unserer verhockten Hirne. Mein Sohn ist 13 und er bewegt sich in einer Zeit, die weit über die Dimensionen meiner eigenen Jugend und Berufswahl damals hinausgehen. Mir macht das keine Angst, weil ich weiss, dass sich der Markt selber reguliert. Eine handvoll Menschen können vom Influencer sein leben, die andern sind weiterhin dazu gezwungen, ihr Geld anderweitig zu verdienen.
Früher hat man jungen Menschen, die Schauspieler (oder) Künstler werden wollten gesagt, sie sollten was anständiges lernen. Heute sagt man es den jungen Menschen, die online ihr Glück versuchen. Gott ist das spiessig.
Thomas Knüwer schrieb auf «Indiskretion Ehrensache» einen vielbeachteten Artikel mit dem Titel «Weil die Redaktion sich ändern muss: 6 Vorschläge für eine andere Medienwelt». Daraus möchte ich zum Abschluss einige Abschnitte aus dem Punkt «Aus Redakteuren Influeure machen» zitieren:
Die Rolle dieses Beeinflussers ist nicht neu. Doch wurde sie eben früher maßgeblich von Journalisten bekleidet. Ich erinnere mich zum Beispiel an die Zeit, da Pit Falkenstein, der Weinkritiker des „Handelsblatt“ einst Händler vorwarnen musste, die jene Weine führten, die er empfahl. Falkenstein war somit nichts anderes als ein önologischer Influencer.
Es könnte also hilfreich sein, wenn Redaktionen ihre Redakteure in einigen Feldern als Beeinflusser begriffen. Also als Menschen, deren Art, Stil, Auftreten und/oder deren inhaltliche Erzeugnisse Menschen dazu bringen, etwas zu tun oder zu kaufen oder zu denken.
Was müsste passieren, um dieser Idee zu folgen?
Zuvorderst müssten diese Redakteure überhaupt eine solche Rolle übernehmen wollen. Sie müssten aktiv im Social Web sein und mit einer bestehenden oder entstehenden Community um sich herum kommunizieren. Dies ist bereits die höchste Hürde: Denn auch im Jahr 2017 ist die Mehrzahl deutscher Redakteure gar nicht oder nur unterdurchschnittlich im Social Web aktiv und mag sich auch nicht mit debattierfreudigen Interessenten auseinandersetzen.
Wer das aber möchte, dem muss sein Arbeitgeber einen Schrebergarten schaffen. Der Influeur bekommt eigene Präsenzen und fokussiert sich zu 100% darauf, diese mit dem Themenfeld zu füllen, für das er seinen beeinflussenden Status erworben hat. Nur dort, wo die Inhalteproduktion zu viel Zeit wegnähme bekommt er Unterstützung. Beispiel Video: Wenn ein Videoformat sinnvoll ist, sollte der Influeur nicht selbst eine Kamera aufstellen und das Video schneiden müssen. Im Extremfall kann das sogar für Instagram gelten: So hat Modejournalismus-Ikone Suzy Menkes weder Selfie-Stick noch langen Arm, sondern Assistenten für ihre Instagram-Fotos. Dadurch entstehen Bilder, die authentisch und ansprechend sind. Ergebnis: ein Instagram-Kanal mit 341.000 Followern und hoher Aktivität. Übrigens hat sie auch ein Blog auf der Vogue-Homepage, einen Twitter-Account und eine Facebook-Page. Sprich: Die 73-Jährige ist einerseits eine echte Influeurin, andererseits um Dimensionen digitaler als jeder deutsche Print-Chefredakteur.
Oder wie es Rezo gut zwei Jahre später formuliert:
respektive:
Oder sind im Zeitalter von Computer die Programmierer*innen die eigentlichen Influencer?
Stay tuned … ;)
(das war mal das ende eines artikels, aber …)
… es geht schneller weiter als ich dachte. und wieder merke ich, dass ein abgeschlossener artikel — auch wenn er in diesem fall eher eine collage ist — der dynamik der debatte zuwiderläuft. deshalb mag ich das setting des live-tickers. item:
stefan m. seydel/sms ;-) setzte einen Tweet ab, auf den ich gerne reagieren möchte
Kurze Antwort:
Lange Antwort:
Richtig: Es geht bei Influencer*innen um (viel) mehr, als nur um Masse. Auch Firmen, die einzig auf Masse aus sind, schauen beispielsweise darauf, ob die Community zum Produkt oder zur Dienstleistung passt.
Vor Masse kommt oft die «Glaubwürdigkeit» der Influencer*innen. Wobei das von Milieu zu Milieu (resp. sogar von Person zu Person) unterschiedlich definiert wird. Ich kann mir übrigens auch vorstellen, dass ein Bot glaubwürdig ist (das völlig überdrehte Skandalisieren dieser kleinen Helferlein wäre ein eigener Blogeintrag wert)
Wenn wir Influencer*innen nach wie vor als «Auftragsverhältnis» definieren (sprich: sie verdienen mit ihrer Position Geld), dann funktioniert das natürlich auch im ganz Kleinen (wie es z.B. auch in jeder Fachpublikations-Nische ein Magazin gibt/gab). Dafür gibt es im Marketing auch bereits einen Begriff: Micro-Influencer.
Was wir (wer ist wir?;) bis jetzt auch ausgeblendet haben: Influencer*innen können ihre Wirkung auch in eine Firma hinein entfalten, von der sie engagiert werden. In diesem Fall dienen dann Influencer*innen beispielsweise als «Muster-Kund*innen», die mit ihrer kritischen Begleitung des Unternehmens, ihm quasi den Spiegel vorhalten. In diesem Fall spielt Masse wirklich nur noch am Rande eine Rolle, wenn überhaupt.
Und Daniel Graf stösst eine weitere Türe auf:
Stay tuned … ;-)
(oh, es geht weiter …, aber quasi woanders …)
Nähe ist/war im Journalismus teils(!) sehr verpönt. Dazu fällt mir eine kleine Anekdote ein. Diese wohl deshalb, weil Johannes (u.a.) für die NZZ schrieb. Also:
Seit gut fünfzehn Jahren (nach meinem Kunst-Studium) werde ich gelegentlich auf meine Texte in der NZZ angesprochen.
Nur: Ich schrieb nie für die alte Tante.
Das kommt daher, weil dort ein Namensvetter von mir Redaktor ist. Aber nicht nur Vor- und Nachnamen sind identisch — er schreibt dazu auch noch über zeitgenössische Kunst.
Nun gut, oft interessiert mich dieser klassische Kunst-Krempel nicht, den er für wahnsinnig wichtig hält. Aber ich verüble es niemandem, der oder die mich damit in Verbindung bringt. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der es dem Ansehen diente, wenn jemand was in der (gedruckten!) NZZ publizieren konnte. Und so kann ich es auch nicht verleugnen, dass es mir irgendwie halt schon auch biz schmeichelt.
Item …
In der Zeit als Direktor des Cabaret Voltaire wurde ich relativ oft auf «meine» Artikel in der NZZ angesprochen. Deshalb dachte ich mir, dass es doch lustig sei, wenn wir Namensvetter uns mal treffen würden. So weit kams jedoch nicht, denn er lehnte einen Austausch mit der Begründung ab, dass er vielleicht mal übers Cabaret Voltaire schreiben müsse, weshalb zu viel Nähe nicht sinnvoll sei.
Für jede*n Influencer*in ist Nähe etwas anderes. Und wie es im so genannt «realen» Alltag ganz unterschiedliche Formen von Nähe gibt, so auch Online.
In diesem Artikel ist Nähe ganz simpel dem traditionellen Journalismus gegenübergestellt, der jegliche Form von — sichtbarer und gelebter — Nähe vermeidet.
(inzwischen möchte ich auch noch auf einen facebook-kommentar reagieren, der, wie viele andere auch, nur diejenigen influencer*innen als massstab nimmt, die alle kennen. er erwähnte dabei unter anderem die geissens 😱)
Ergo: Bald folgen hier ein paar Beispiele von Influencer*innen und Influencer-Projekten, die nicht alle kennen.
Stay tuned ;-)
Also:
Viele kennen vom Influencer Marketing nur quasi die Spitze des Eisbergs. Und genau so werden die Influencer*innen meistens auch in den Medien dargestellt: Als vornehmlich weibliche ‘Dummchen’, die der noch viel dümmeren Community jeden ‘Scheiss’ andrehen. Und sobald es um Kommerz geht, dürfen dann alle auch noch 1bisschen sexistisch sein — bis weit in linke Postillen rein.
Ja, es gibt wohl viel mehr weibliche Influencer*innen und sie verdienen oft mehr als die Männer. Umso ärgerlicher ist es, dass dieses Business mit «nichts können müssen» und mit «den Körper verkaufen» in Verbindung gebracht wird. Nur schon bei den Influencerinnen, die sich selber Inszenieren, gibt es grosse Unterschiede, wie sie es tun.
So präsentiert sich beispielsweise Xenia Tchoumitcheva (1.2 Mio. Followers) auf Instagram:
Und so Andrea Monica Hug (17'800 Follower):
(hier gehts nächstens wieder weiter; und zwar mit zwei frauen, die sich selber nicht oder nicht so inszenieren — und mit einem influencer-projekt, bei dem ich selber dabei sein durfte und das fast mehr ins unternehmen wirkte als nach aussen)
So, ist nun leider ein Bisschen länger gegangen. Also:
Viele setzen Influencer*innen mit «Fashion-Tussi» gleich. Dabei gibt es zwei Schweizer Frauen, die als Influencer*innen ihren Lebensunterhalt bestreiten können, aber mit Fashion und Styling nichts am Hut haben. Es sind dies:
Und:
Und nun zum Influencer*innen-Projekt, bei dem ich selber beteiligt war und das nur ganz am Rande was mit Reichweite und Fame zu tun hat:
In einem Kommentar zum nachfolgenden Facebook-Post habe ich das Projekt auf die Schnelle folgendermassen beschrieben:
ich war als so genannter «sbb service scout» (einer von insgesamt zehn) quasi ein influencer. sprich: ich kriegte ein GA geschenkt und landete im presseverteiler der sbb. als gegenleistung war eine bestimmte anzahl posts und blog-einträge definiert. das waren die einzigen vorgaben. unter den service scouts war keiner drunter, der ein klassischer influencer ist (mit zig tausenden followern oder fans). und trotzdem war es ein influencer-projekt.
für mich war es klar, dass ich eine konzentriertere begleitung des services der sbb nicht ohne entschädigung machen würde. umgekehrt interessiert mich jedoch das thema mobilität und ich war sehr neugierig, was bei diesem engagement mit mir und in und mit meiner bubble passierte.
unser verhalten machte jedoch nicht nur ganz simpel die neue webseite sbb-zufriedenheit.ch bekannter (wofür die aktion eigentlich geplant war), sondern forderte die sbb auf den unterschiedlichsten ebenen. mit uns tauchten plötzlich quasi «citizen journalists» auf, die sich nicht so einfach mit klassischen pressemitteilungen oder interviewterminen abspeisen liessen. auch griffen wir themen auf, die journalist*innen eher nicht aufgreifen würden. einer meiner blog-einträge (bei dem übrigens die kommunikationsabteilung schiss hatte, dass er in den medien landen oder einen shitstorm auslösen könnte) wurde von den zuständigen personen bei der sbb und im ausbildungszentrum für öffentlichen verkehr sehr interessiert aufgenommen, um daraus learnings zu ziehen.
siehe: https://medium.com/.../anna-laura-wie-ist-es-als-lernende...
was machen nun also zehn leute, die ein jahr lang regelmässig auf social media und in blogs über ihre erfahrungen mit der sbb berichten? werbung, pr und/oder die sbb beraten?
Stay tuned ;-)