Der Park als Social Media Plattform — mindestens 4 Interventionen

philipp meier
3 min readJun 6, 2018

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Was ist schon das «Real Life»?! Für meine Kinder (11/14) zählt alles zum RL — ob sie nun Gamen, Chatten oder in die Schule gehen. Als digital Immigrant muss ich mich jedoch überlisten, um in meiner Denke die Unterscheidung zwischen «real» und «virtuell» zu löschen. Dazu dienen solche Gedankenspiele:

Seit ich weniger auf Facebook poste und mich wieder öfters an das Aufkommen des Internets erinnere, beginne ich nachzudenken, was ich sonst noch gelernt habe und machen könnte. Als gelernter Landschaftsgärtner mit anschliessendem Kunststudium war es naheliegend, dass ich im nahen Park «künstlerische Posts» teilen könnte (böse Zungen würden behaupten, dass ich Grün Stadt Zürich trolle;)

Angefangen hat alles mit einem Bild, das ich auf Instagram sah. Auch nach einer mehrstündigen Recherche finde ich es leider nicht mehr. Geteilt wurde es von einem der vielen Accounts aus diversen Regionen Afrikas, denen ich seit Anfangs Jahr folge. Im Bild war die Ausstellung in einem Kunstraum zu sehen, bei der die ausgestellten Totem-ähnlichen Objekte der musealen Wand entlang aufgereiht waren.

Kurz nachdem ich das Bild auf Instagram sah, fiel mir beim Queren des Parks, der bei uns quasi vor der Haustüre liegt, das Depot mit den vielen dicken Ästen auf. Sie lagen kreuz und quer in einem Bereich des Parks, in dem das Gartenbauamt der Stadt Zürich die Grünabfälle aus dieser Ecke des Quartiers zwischenlagert.

Die Kombination des Bildes auf Instagram und der Totem-ähnlichen Äste im Park inspirierten mich zur ersten Intervention im Park. Damals wusste ich noch nicht, dass daraus eine Serie entstehen könnte.

Die Installation ist beim Klicken durch die Instagram-Bildergalerie zu sehen.

Was diese Intervention auslöste begeisterte mich derart, dass ich erstens nicht nur einen Artikel auf tsri.ch publizierte, sondern es mit zweitens motivierte, weitere «3D-Posts» zu machen.

Rückblickend kann das, was meine erste Installation auslöste, im Prinzip mit einem Meme verglichen werden.

Ich pickte aus einem Wust dieses «Grüngut-WWW» eine bestimmte Art von Objekten raus und inszenierte sie so, dass sie Aufmerksamkeit erhielten. Dadurch weckte ich bei den (jungen) Park-Besucher*innen das Interesse, dieselben Objekte auch noch anders zu benutzen und zu installieren.

Das taten sie dann auch. Vornehmlich Kinder lehnten sie zum Beispiel so dicht um einen Baum, dass eine Zelt-ähnliche Skulptur entstand. Ich teilte das Bild davon nur in den Stories, weshalb es nun leider verschwunden ist. Andere legten mit den dicken Ästen auf den Kiesflächen Wege und Labyrinthe aus. Und eines Tages stand unter einem Baum ein Objekt, das einer Festung aus dem bei den Kidz total beliebten Shooter-Game Fortnite glich.

Dazwischen und danach verschwanden die dicken Äste im Unterholz der bepflanzte Hügellandschaft und tauchten da und dort einzeln auf.

Als ich vor kurzem wieder mal einem dieser Knüppel über den Weg lief, stellte ich ihn für eine kleine spontan Installation auf eine Sitzbank.

Weil ich den Ast ausbalancieren musste, blieb er nicht lange auf der Bank stehen und wurde wohl vom nächsten Windstoss umgeworfen. Aber so läuft es ja auch online: vieles verpufft, ohne je grosse Aufmerksamkeit erhalten zu haben.

Und schon habe ich wieder zwischen Off- und Online unterschieden. Dabei gibt es hier wie dort lange und kurze Momente. Denn die Posts dieser flüchtigen Installation auf Instagram und Facebook bekamen die vergleichsweise viel grössere Aufmerksamkeit, als die effektive Installation im Park.

Ein anderes Mal teilte ich aus Rasenschnitt als eine Art Statusmeldung das Wort «Heimat».

In den Kommentaren zu diesem Facebook-Post sind ein paar Beobachtungen meinerseits zu lesen und zu sehen — denn gleich gegenüber stand eine Sitzbank, worauf ich mich einmal rund eine halbe Stunde setzte und beobachtete, was die Intervention bei den Leuten auslöste, die zufällig daran vorbei gingen.

Gelegentlich entstanden beim Installieren der Inszenierungen kurze Gespräche oder Diskussionen mit Passant*innen — was mit den Kommentaren unter einem digitalen Post vergleichbar ist. Bei der vierten und bisher letzten Intervention — die ich am Zaun zum Kindergarten anbrachte — ahmte ein Kind im Kleinen das Objekt nach, das ich bastelte (im nachfolgenden Instagram-Clip am Schluss zu sehen)

So weit die vier Interventionen, die ich im Park vor meiner Haustüre machte. Es werden wohl nicht die einzigen vier bleiben. Die weiteren Installationen werde ich hier nach und nach ergänzen.

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philipp meier
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Written by philipp meier

teilzeit community developer @swissinfo.ch, teilzeit beratung, ehem. SM editor/curator @watson.ch, NachtStadtrat Zürich, ex-direktor cabaret voltaire

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